Ganzkörper-Elektromyostimulation: Sicher, attraktiv und nachhaltig – Ergebnisse einer aktuellen Übersichtsarbeit

Wissenschaft

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Ganzkörper EMS-Training: Vom Nischenphänomen zur globalen Trainingsmethode. Eine aktuelle systematische Übersichtsarbeit zeigt, warum WB-EMS das Potenzial hat, Training und Prävention weltweit neu zu definieren.

Ganzkörper-Elektromyostimulation (Whole-Body Electromyostimulation, WB-EMS) ist längst kein exotisches Nischenprodukt mehr. Die Technologie hat in den vergangenen Jahren eine bemerkenswerte Entwicklung genommen: Von ersten spezialisierten Studios über physiotherapeutische Einrichtungen bis hin zu Fitnessketten und Präventionsprogrammen – WB-EMS ist heute in zahlreichen Ländern fest etabliert und gewinnt stetig neue Märkte hinzu.

Der Grund für dieses internationale Wachstum liegt in einer klaren Kombination von Vorteilen: hohe Trainingseffizienz, kurze Dauer, individuelle Anpassbarkeit und geringe orthopädische Belastung. In nur 20 Minuten werden nahezu alle großen Muskelgruppen simultan stimuliert – eine Intensität, die mit klassischen Trainingsmethoden nur schwer zu erreichen ist, und das bei gleichzeitiger Schonung von Gelenken und Bändern.

Doch bei jeder Innovation stellt sich die gleiche zentrale Frage: Ist diese Methode wirklich sicher? Und lässt sich die anfängliche Begeisterung langfristig in stabile Teilnahme und echte Gesundheitsgewinne übersetzen? Genau hier setzt eine aktuelle systematische Übersichtsarbeit von Kemmler et al. (2025) an. Mit 58 Studien und über 2.000 Teilnehmer:innen liefert sie die bislang umfassendste Analyse zu Sicherheit, Attraktivität und Trainingskonstanz von WB-EMS – und die Ergebnisse sprechen eine klare Sprache.

Gesellschaftlicher Hintergrund: Warum WB-EMS genau jetzt relevant ist

Die Bedeutung dieser Ergebnisse wird besonders deutlich, wenn man den gesellschaftlichen Kontext betrachtet. Unsere Gesellschaft altert, die Zahl chronischer Erkrankungen nimmt zu, Bewegungsmangel ist ein weltweites Problem. Gleichzeitig wächst das Bedürfnis nach kurzzeitigen, wirksamen und individuell zugeschnittenen Trainingsmethoden.

  • Demografie: Immer mehr ältere Menschen suchen nach gelenkschonenden Bewegungsangeboten, die auch bei Arthrose, Osteoporose oder Muskelschwäche sicher durchführbar sind.
  • Übergewicht und Stoffwechselerkrankungen: Adipositas, Diabetes und metabolisches Syndrom gehören zu den größten Herausforderungen moderner Gesundheitssysteme. Hier braucht es zeiteffiziente und effektive Trainingsoptionen, die auch für Einsteiger:innen geeignet sind.
  • Zeitknappheit: Beruf, Familie und digitale Medien sorgen dafür, dass klassische Trainingsprogramme für viele nicht mehr in den Alltag passen. Kurze, hochwirksame Einheiten sind gefragt.
  • Longevity-Trend: Immer mehr Menschen investieren bewusst in Langlebigkeit, Zellgesundheit und Prävention. WB-EMS passt perfekt in diesen Kontext, da es muskuläre Leistungsfähigkeit, Stoffwechsel und funktionale Gesundheit unterstützt – alles zentrale Faktoren für gesundes Altern.
  • Abnehmspritzen & Lifestyle-Integration: Medikamente wie GLP-1/GIP-Rezeptor Analoga (z. B. Ozempic, Mounjaro) helfen zwar beim Gewichtsverlust, führen aber zu einem parallel Rückgang von Muskelmasse und -funktion. Hier könnte WB-EMS die Lücke schliessen: Zeitgleich zur medikamentösen Therapie kann durch EMS Training der Muskelabbau reduziert, Körperkomposition verbessert und ein JoJo-Effekt mit drastischer Gewichtszunahme nach Absetzten der GLP-1/GIP-Rezeptor-Analoga verhindert werden.

WB-EMS erfüllt diese Anforderungen vollem Umfang. Deshalb ist die Frage nach Sicherheit, Akzeptanz und Nachhaltigkeit mehr als akademisch – sie ist zentral für die Zukunft der Gesundheitsförderung.

Funktionsweise: Ganzkörpertraining in 20 Minuten

Das Prinzip von WB-EMS ist einfach, aber wirkungsvoll: Über körpernahe Elektroden werden in Bauch, Rücken, Beinen, Gesäß, Brust, Armen und Schultern gleichzeitig elektrische Impulse abgegeben. Diese Impulse lösen Muskelkontraktionen aus, die deutlich intensiver sind als willkürliche Anspannung allein.

Das Besondere: Die Impulse erreichen auch tiefere Muskelschichten, die bei klassischem Training oft nur schwer aktiviert werden. Gleichzeitig können Intensität und Impulsdauer individuell dosiert werden, sodass Einsteiger:innen ebenso profitieren wie sportlich Trainierte.

Ein weiterer Vorteil: Da die Gelenke kaum belastet werden, eignet sich WB-EMS auch für Menschen mit orthopädischen Einschränkungen – ein Argument, das klassische Fitnesstrainings in dieser Form nicht bieten können.

Ergebnisse der systematischen Übersichtsarbeit

Die Übersichtsarbeit von Kemmler et al. untersuchte 58 Studien mit über 2.000 Teilnehmer:innen unterschiedlichster Hintergründe: gesunde Erwachsene, ältere Menschen, Patient:innen mit Rückenschmerzen oder Arthrose sowie übergewichtige und untrainierte Personen. Drei zentrale Aspekte standen im Fokus: Sicherheit, Attraktivität und Trainingskonstanz. Ergänzend dokumentieren die einbezogenen Studien auch eine klare Wirksamkeit des WB-EMS.


Sicherheit

Das wichtigste Ergebnis zuerst: WB-EMS ist sicher.
Keine der 58 Studien berichtete von unerwünschten Nebeneffekten oder gar schwerwiegenden Nebenwirkungen wie Herz-Kreislauf-Ereignissen, Muskelverletzungen oder gar dauerhaften Schäden.

  • In einzelnen Studien kam es (durch zu intensiven Einstieg in das WB-EMS Training) zu erhöhten CK-Werten (ein Marker für Muskelbelastung). Diese Anstiege blieben im klinisch unbedenklichen Bereich und waren mit vergleichbaren Belastungen aus intensivem Krafttraining gleichzusetzen.
  • Leichte Beschwerden wie kurzfristige Muskelkater-Symptome wurden gelegentlich berichtet, hatten aber keinen Krankheitswert.
  • Auch bei älteren Personen und Menschen mit Vorerkrankungen (z. B. Adipositas, Kniearthrose) traten keine sicherheitsrelevanten Probleme auf – vorausgesetzt, die Anwendung erfolgte richtliniengerecht.

Fazit: Unter professioneller Aufsicht und unter Beachtung internationaler Richtlinien gilt WB-EMS als sehr sicheres Trainingsverfahren.


Attraktivität

Die Attraktivität von WB-EMS lässt sich an den Teilnahmequoten messen – und diese sind außergewöhnlich hoch.

  • Im Schnitt nahmen 94 % der Teilnehmer:innen regelmäßig teil.
  • In 15 Studien wurde sogar eine 100%ige Teilnahmequote dokumentiert – ein Wert, den man in klassischen Trainingsprogrammen kaum erreicht.
  • Hauptgründe für die hohe Attraktivität: kurze Dauer (20 Minuten pro Einheit), persönliche Betreuung, geringe orthopädische Belastung und das Gefühl eines effektiven Ganzkörpertrainings.

 Fazit: WB-EMS ist nicht nur wirksam, sondern wird von den Teilnehmer:innen auch als besonders angenehm und zeitsparend wahrgenommen.


Trainingskonstanz

Die vielleicht eindrucksvollste Kennzahl ist die geringe Abbruchrate.

  • Im Durchschnitt lag die Drop-out-Quote bei nur 5–10 %.
  • Zum Vergleich: In klassischen Fitness- oder Reha-Programmen brechen bis zu 50 % der Teilnehmer:innen innerhalb weniger Monate ab.
  • WB-EMS schafft es also, Menschen langfristig an Bewegung zu binden – ein entscheidender Faktor für nachhaltige Gesundheitseffekte.

Fazit: WB-EMS bietet ein hohes Maß an Planungssicherheit – sowohl für Anbieter als auch für Anwender:innen.


Wirksamkeit

Neben Sicherheit, Attraktivität und Konstanz ist auch die Wirksamkeit von WB-EMS klar belegt. Die analysierten Einzelstudien dokumentieren:

  • Deutliche Zuwächse an Muskelkraft in großen Muskelgruppen, selbst bei Personen mit eingeschränkter Belastbarkeit.
  • Verbesserungen der Körperzusammensetzung, etwa Reduktion von Fettmasse und Erhalt bzw. Zuwachs fettfreier Muskelmasse.
  • Schmerzreduktion und Funktionsgewinne bei Patient:innen mit chronischen Rückenschmerzen oder Arthrose.
  • Positive Effekte auf Mobilität und Alltagsfunktionen insbesondere bei älteren Zielgruppen.

Fazit: WB-EMS steht für wissenschaftlich belegte Wirksamkeit, hohe Sicherheit und breite Akzeptanz – eine überzeugende Kombination für Training und Therapie.

Leitlinien und Qualitätssicherung

So positiv die Ergebnisse auch sind: Der Erfolg von WB-EMS steht und fällt mit der fachgerechten Umsetzung. Die Übersichtsarbeit und die internationalen Leitlinien betonen drei Punkte besonders:

  • Leitliniengerechte Dosierung der Impulse (Trainingsdauer, Pausenzeiten)
  • Qualifizierte Betreuung durch geschultes Fachpersonal, das den Trainingsprozess überwacht.
  • Betreuungsschlüssel von maximal 2:1 (zwei Trainierende pro Trainer), um Sicherheit und Wirksamkeit jederzeit zu gewährleisten.

Diese Standards sind entscheidend, um Überlastungen zu vermeiden und den vollen Nutzen von WB-EMS auszuschöpfen.

Praktische Relevanz für Prävention, Therapie und Fitness

Die Ergebnisse haben unmittelbare Bedeutung für die Praxis.

  • Für Trainingsanbieter: WB-EMS verschafft ein klares Alleinstellungsmerkmal gegenüber klassischen Kurs- und Geräteangeboten. Kurze, hochintensive Einheiten sind für eine breite Zielgruppe attraktiv und passen ideal in den Trend zu zeiteffizienten, wissenschaftlich belegten Trainingsmethoden.
  • Für die Physiotherapie: Das gelenkschonende Ganzkörpertraining eröffnet neue Optionen für Patient:innen, die klassische Übungen nicht oder nur eingeschränkt durchführen können. Gerade im Kontext von Longevity-Strategien bietet WB-EMS eine Möglichkeit, Muskelkraft, Stoffwechsel und Mobilität bis ins hohe Alter zu erhalten.
  • Für Präventionsprogramme: Die hohe Sicherheit und die geringen Abbruchraten machen WB-EMS zu einer verlässlichen Maßnahme in der betrieblichen Gesundheitsförderung und im Präventionsmarkt. Besonders relevant: Während GLP-1-Medikamente (z. B. Abnehmspritzen) beim Fettabbau helfen, verhindern sie nicht den Verlust von Muskelmasse – hier kann WB-EMS eine entscheidende Ergänzung sein, um Körperzusammensetzung und Leistungsfähigkeit nachhaltig zu sichern.

Internationale Perspektive

WB-EMS entwickelt sich zunehmend zu einer globalen Bewegung. In Europa ist die Technologie weitgehend etabliert, während einzelne Länder – etwa das Vereinigte Königreich – noch deutlichen Nachholbedarf haben. In Nordamerika wächst das Interesse dynamisch, getrieben von denselben Faktoren: steigender Bedarf an zeiteffizienten Trainingslösungen, alternde Gesellschaften und der Trend zu individualisierter Gesundheitsförderung.

Die Übersichtsarbeit liefert damit nicht nur wissenschaftliche Sicherheit, sondern auch eine solide Basis für die internationale Expansion.

Fazit: Eine Trainingsmethode mit Zukunft

Die systematische Übersichtsarbeit von Kemmler et al. (2025) mit 58 Studien und über 2.000 Teilnehmer:innen belegt eindrucksvoll:

  • WB-EMS ist sicher – auch für Menschen mit Vorerkrankungen.
  • WB-EMS ist attraktiv – kurze, gelenkschonende Einheiten mit hoher Akzeptanz.
  • WB-EMS bietet Trainingskonstanz – mit Drop-out-Raten von nur 5–10 %.

In Kombination mit klaren Leitlinien, professioneller Betreuung und einem Betreuungsschlüssel von maximal 2:1 ist WB-EMS eine der verlässlichsten, nachhaltigsten und modernsten Trainingsmethoden unserer Zeit.


Literaturverzeichnis:

Kemmler W. et al. Safety, Attractiveness and Training Consistency of Whole-Body Electromyostimulation – A Systematic Review. (2025)
58 Studien, >2.000 Teilnehmer:innen

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